Polemik und Satire

Ich bin nach wie vor überzeugt,
dass Theater mit der Politik nicht kuscheln darf, es muss beißen, aufwecken!

 

 


 

Mein offener Brief an die ehemalige Kulturlandesrätin anlässlich der Verleihung des Tiroler Ehrenzeichens 2014


 


 

Theater-Sommerspiele sind überall erfolgreich!

Warum also nicht auch in Bruneck?

Weltweit sind Freilichtspiele ein Besuchermagnet. So auch in Süd- und Nordtirol.Die „Klassiker“ der Südtiroler Freilichtspiele (Rittner Sommerspiele, Freilichtspiele Lana und dieFreilichtspiele Südtiroler Unterland) – oder die wichtigsten Tiroler Festspiel,  die Tiroler Volksschauspiele in Telfs sind seit Jahrzehnten ein Publikumsmagnet und ziehen jährlich tausende von Einheimischen und Touristen an.

Ich habe oft bei  Produktionen dieser vier genannten Freilichttheater mitgearbeitet und weiß,  dass solche Veranstaltungen nicht nur kulturelle Aushängeschilder für den jeweiligen Austragungsort sind, sondernauch dem Tourismus, der Gastronomie und dem Handel einen nicht unwesentlichen Mehrwert bringen.Man kann jetzt nicht die „Salzburger Festspiele“  strapazieren, die jährlich der Salzburger Wirtschaft an die280 Mio. € an Umwegrentabilität bringen….aber man kann ja klein anfangen!

In der östlichen Landeshälfte gibt es keine jährlich stattfindenden Theater-Sommerspiele, die wie in Neumarkt, am Ritten und in Lana jährlich stattfinden. Ich bin schon seit langem der Ansicht, dass dasPustertal von regelmäßig abzuhaltenden „Sommerspielen“  in Bruneck in jeder Beziehung enorm profitierenkönnte. Weil ich die Theaterszene kenne und weiß, wie viele „Pusterer“ regelmäßig die drei oben genanntenAufführungsorte besuchen, kann ich mir ausrechnen, wie groß der Publikumsandrang  allein von Seiten der „Stammbesucher“ jener drei Sommerspielorte in Bruneck sein könnte.

In Bruneck sollten wir uns zum Ziel setzen, jährlich ein Theaterereignis auf die Beine zu stellen, dasEinheimische und Touristen begeistert und nach Bruneck holt. Um einen dauerhaften Erfolg zu garantieren, muss es eine professionell inszenierte Theater- oder Musicalproduktion sein, die einerseits den gehobenen Ansprüchen eines immer anspruchsvolleren Theaterpublikums gerecht wird, anderseits aber die für„Sommerspiele“ unerlässliche Komödialität, den Ortsbezug und natürliche Lockerheit  auf die Bühne bringt- wichtige und unumgängliche Voraussetzungen, um das Markenzeichen  „Brunecker Sommerspiele“überregional zu etablieren.

Das Ensemble dieser Sommerspiele muss aus renommierten Regisseuren  und Profi- Darstellern bestehen,aber auch aus guten, bewährten Laienschauspielern aller Brunecker Theatergruppen. Es sollte nicht eine„Stadttheater-Produktion“ sein, sondern zu „Brunecker Freilichtspielen“ werden, die die Zusammenarbeit der heimischen Theatervereine fördert und der Stadt einen neuen kulturellen Impuls gibt.

Kg 2015

Bei uns gibt es eigentlich(fast) nichts, was nicht subventioniert wird -  offen oder versteckt. Und wenn darüber gejammert wird, dann immer und zuallererst über die Kulturförderung. Und dann wird behauptet, dass Kultur den Steuerzahler belastet, obwohl viele unabhängige Studien schon längst das genaue Gegenteil bewiesen haben: Kultur ist auch ein Wirtschaftsfaktor, der einer Gemeinde mehr Geld zurück bringt, als sie ursprünglich für die Förderung ausgegeben hat. Investitionen in Kultur erwirtschaften Wertschöpfung und haben nachweislich positive Einkommenseffekte für alle. Es ist belegt, dass jeder Euro der in Kulturförderung investiert wird, allein der Privatwirtschaft in Hotellerie, Gaststätten und Einzelhandel ein Umsatzvolumen von bis zum dreifachen der Förderung generiert. Bei den Salzburger Festspielen schätzen Experten  die Umwegrentabilität des Festivals für die Region auf 155 Millionen Euro und Präsidentin Helga Rabl-Stadler betont immer wieder, dass jeder von der öffentlichen Hand investierte Euro drei- bis vierfach in Form von Steuern zurückfließt.

Bruneck ist natürlich nicht Salzburg, aber die Tatsache, dass Ausgaben für Kultur-Einrichtungen einen positiven Effekt auf den Wohlstand der jeweiligen Stadt und Region haben gilt auch hier! Warum werden dann aber zukunftsweisende und nachhaltige Kulturinitiativen, wie z.B. unser Angebot, Theaterfestspiele im Stadtzentrum von Bruneck zu etablieren, von den angesprochenen Entscheidungsträgern schlicht und einfach ignoriert? Obwohl die eigentlich wissen müssten, dass es gerade über die Stadt hinaus strahlenden Kulturveranstaltungen sind, die zu einer hohen Lebens- und Freizeitqualität der Stadt wesentlich mehr beitragen und zahlungskräftigere Touristen und Investoren anziehen als manch schnell verpuffendes Massenspektakel.....

kg 2016

Vom Brunecker Kultur-Desinteresse und anderen Ungreimtheiten bei Museumsbauten


„Alles für die Tonne“ schrieb in einer vergangenen Ausgabe die Pustertaler Zeitung und berichtete von meinem unbeantwortet gebliebenen Angebot an Gemeinde, Tourismusverein und Stadtmarketing, auch in Bruneck Theaterfestspiele zu etablieren. Der PZ ist nämlich aufgefallen, dass bei den heuer ins Leben gerufen neuen „Schloss Festspielen“ in Dorf Tirol, das „Stadttheater Bruneck“ auffällig stark beteiligt war.
Aber da man in Bruneck es nicht einmal für notwendig befand über so ein Konzept auch nur nachzudenken, haben wir gerne das Angebot von Dorf Tirol angenommen - wo im Gegensatz zu Bruneck gezeigt gezeigt wurde, was eine kulturoffene Gemeinde gemeinsam mit aufgeschlossenen Tourismus- und Wirtschaftskreisen und weitsichtigen Privatpersonen auf die Beine stellen kann, wenn Angebote von Kulturschaffenden ernst
genommen und professionell umgesetzt werden.

Den Brunecker „Tourismus- und Veranstaltungsexperten“ werfe ich nicht Böswilligkeit vor, sondern Kulturdefizit und Desinteresse an Initiativen, die mehr sind als Fußballcamps und lukrative Effekthascherei mit musealen Hintergrund als Kultur-Alibi. Zwar ist jede Kulturinitiative zu begrüssen, auch wenn sie tatsächlich nur der Tourismuswerbung dient. So wie das Hadid/Messner Museum am Kronplatz, ein architektonisches Juwel mit internationaler Ausstrahlung, das in bewundernswerter Weise von der Kronplatz AG finanziert wurde und auch gut läuft.
Deswegen hat man jetzt Blut geleckt und will am Kronplatz auch noch ein Bergfotografie-Museum bauen. Was ja auch ok wäre, wenn es die späteren Nutznießer wieder selbst finanzieren würden!
Wenn aber die öffentliche Hand tatsächlich 3 Millionen Euro mitfinanziert, ist das nicht Kulturvermittlung sondern Zweckentfremdung von Steuergeldern und Respeklosigkeit gegenüber allen Südtiroler Kulturschaffenden. Es offenbart aber einmal mehr eine Geringschätzung der Politik gegenüber der Pustertaler Bevölkerung, über deren Köpfe hinweg Politiker mit Kulturgeldern rein touristische Hot Spots bedienen, die de facto die Einheimischen ausgrenzen oder ihnen einen Museumsbesuch zumindest erschweren. Und wenn sie dann für die Projektleitung keine Foto- oder Museumsfachleute engagieren, sondern ein SVP-Faktotum aus Bozen, ist das Futter für die Internetstimmen, die jetzt schon von Vettern- und Freunderlwirtschaft im System Südtirol schreiben!
Das ärgert! Für ein bei den Haaren herbeigezogenen Projekt, spendiert das Land 3 Millionen Steuergelder, die Einheimischen aber müssen um es zu besuchen, entweder 5 Stunden auf den Berg latschen oder eine Seilbahnkarte kaufen? Ein kultur-politisches Meisterwerk!
Warum kann das Museum eigentlich nicht in Bruneck gemacht werden? Wenn schon Steuergelder dafür eingesetzt werden, muss es für die Bevölkerung auch leicht zugänglich sein! Und würde auch der Brunecker Stadt-Wirtschaft zu gute kommen. Denn wenn das Fotomuseum für den Fremdenverkehr schon so wichtig ist wie die Befürworter tun, wird auch jeder Kronplatzturist gern nach Bruneck kommen. Das Seeböckhaus könnte sich dafür bestens eignen. Und dann bliebe auch genügend Geld übrig für den Umbau kaum genutzter Theaterstrukturen die langsam vergammeln während wir vom Stadttheater, für ein baufälliges Haus am Stadtrand, ohne Gehsteig und Zebrastreifen vor dem Eingang, teure Mieten zahlen müssen? Versprochen wird ja immer wieder was, konkret passieren tut aber wenig. Und langsam haben wir das Gefühl, dass genauso wie unser Angebot Festspiele in Bruneck abzuhalten, auch unser Bestreben endlich ein Theaterhaus zu beziehen, das einer Stadt auch würdig ist, nicht ernst genommen wird. Und wenn dem so ist darf sich niemand
wundern, wenn man das Handtuch schmeißt!
Es könnte bald passieren, dass nicht nur Theater Festspiele - sondern auch das Theater selbst, anderswo seriöser arbeiten kann.


 


 

 

 

Eine offene, zukunftsorientierte Kulturpolitik nutzt die Kreativität und die Innovationskraft ihrer Kulturschaffenden und ihrer kulturellen Einrichtungen, bindet sie ins öffentliche Leben ein und ermöglicht so breiten Schichten des Publikums Zugang zum künstlerischen Schaffen.
Nicht SO in Bruneck. Da werden Kulturleute ignoriert und übergangen, weil sich Politiker und Lobbyisten selbst „in Kultur" profilieren wollen - es vielleicht sogar gut meinen aber halt parteilich sind und meistens jemandem verpflichtet. Man darf ihnen nicht Böswilligkeit vorwerfen, vielleicht Kulturdefizit, sicher aber Desinteresse an Initiativen, die mehr sind als Fußballcamps und lukrative Effekthaschereien mit musealem Hintergrund als Kultur-Alibi.
Jede Kulturinitiative ist zu begrüßen, auch wenn sie nur der Tourismuswerbung dient. So wie das Hadid/Messner-Museum am Kronplatz, ein architektonisches Juwel mit internationaler Ausstrahlung, das in bewundernswerter Weise von den Kronplatz-Betreibern finanziert wurde und auch gut läuft. Vielleicht hat man deswegen jetzt Blut geleckt und will am Kronplatz auch noch ein Bergfotografie-Museum bauen. Was ja auch o.k. wäre, wenn es die späteren Nutznießer auch selbst finanzieren würden! Wenn aber die öffentliche Hand tatsächlich 3 Millionen Euro mitfinanziert, ist das nicht Kulturvermittlung, sondern Zweckentfremdung von Steuergeldern und Respektlosigkeit gegenüber den Südtiroler Kulturschaffenden, die oft mit einem Trinkgeld überleben müssen. Es offenbart aber auch die Geringschätzung gegenüber der Bevölkerung, über deren Köpfe hinweg Politiker mit Kulturgelder rein touristische Hotspots bedienen, die de facto die Einheimischen ausgrenzen oder ihnen einen Museumsbesuch zumindest erschweren. Und dass ihnen dann auch noch einfällt, ein SVP-Faktotum aus Bozen für die Projektleitung zu engagieren statt Foto- und Museumsfachleute, ist willkommenes Futter für jene Stimmen im Internet, die jetzt schon von Vettern- und Freunderlwirtschaft im System Südtirol schreiben!

(*) Die in dieser Rubrik wiedergegebene Meinung muss nicht mit der der Redaktion übereinstimmen 


 

Brief aus Bruneck

Glosse für „Südtirol Profil“ 1994

Brief aus Bruneck

Glück & Geld

von Klaus Gasperi Bruneck



Da könnte man als Brunecker Bürger doch tatsächlich den Nobelpreis verliehen bekommen oder einen Oscar gewinnen und kein Schwein würde sich darum scheren. Will man in den „wichtigen Kreisen" auffallen, bleibt einem kaum etwas anderes übrig als zu sterben oder beim Rubbelspiel Hundert Millionen Lire zu gewinnen. Letzteres ist meiner Wenigkeit widerfahren, als ich vor wenigen Wochen in die Bahnhofsbar in Bruneck ging, eigentlich nichts anderes im Sinn, als ein Päckchen Zigaretten zu be- sorgen, plötzlich dieses Geld. Um berühmt zu werden ist ein Rubbel-Gewinn für den Betroffenen selbstverständlich viel der bessere Weg als das Sterben: Er kommt dadurch endlich nicht nur ins Gerede, sondern ist auf einen Schlag hin auch angesehen und akzeptiert. Er steht zumindest eine Woche lang im Rampenlicht. Der italienische Lokalreporter (der schnelle Aldo De Pellegrin) vom „Alto Adige" bereitet in seiner Zeitung sofort alles brühwarm auf, all die anderen Blätter folgen, nur der Pöder Willy von der PZ nicht, denn der möchte ja immer alles nur exklusiv. Wahrscheinlich ist ein solcher Gewinn für viele Leute deshalb so interessant, weil sie im Unterbewußtsein genau wissen, daß Gewinnen eine der wenigen moralisch vertretbaren Möglichkeiten geblieben ist, „reich" zu werden. Schließlich gibt es einfach nicht viele saubere Methoden, um zu großem Geld zu kommen. Auch wenn die meisten „da oben" wohl glauben, sie hätten noch saubere Hände - irgendwo auf dem Weg nach oben, wurden nach unten die Ellebögen eingesetzt und unbeholfene, anständige Leute an die Wand gedrückt. Aber das interessiert nur wenige. Man hat Geld, daher ist man wer. Sogar die eingebildetsten Neureichen, von' denen selbst einige auch nur durch Glück zu Geld gekommen sind, lächeln einem schon aus der Ferne zu. Die etwas „Ärmeren" (nicht aus finanzieller Sicht geschen), fragen gleich, welches neue Auto jetzt gekauft werden wird. Die „Besseren" (wieder nicht finanziell gemeint) möchten wenigstens wissen, wohin die Reise gehen soll, während die unverbesserlichen „Erbsenzähler" natürlich nichts anderes als Investitionsprobleme sehen. Doch auch die Banker lächeln freundlich und zufrieden, immerhin kommen sie wieder zu ihrem Geld, das sie verliehen haben, Nur dem einzigen, neben dem Gewinner direkt betroffenen, nämlich dem Staat, ist die ganze Aufregung scheißegal. Er sahnt dank der spielsüchtigen, trafikenstürmenden Alltagsbürger richtig ab und zahlt dann die wenigen Gewinne aus, wann er will - und das kann ewig dauern. 


 

Südtirol,
das Theaterland
(1999)

Weil wir in Südtirol über 200 Theatergruppen haben, tun wir auch oft Theater spielen. Wir spielen gerne und überall: auf Straßen und Seen, in Schluchten, Höfen und Kellern. Ganz beliebt sind auch die Schlösser und Baracken, ja sogar einige Kulturhäuser eignen sich dazu. Es gibt Bühnen, die im Jahr 6-7 Stücke spielen. Die meisten aber spielen nur zweimal, und manche – Gott sei Dank - nur einmal im Sommer. Gespielt wird fast alles: vom „Shakespeare-Schinken“ bis zum „gepantschten Freilichtverschnitt“ , vom „Alois, wo warst du heut Nacht ?“ bis hin zur „Chinesischen Mauer“. Auch die Musicals sind recht beliebt. Ob Lloyd Webbern oder Goldoni Karl......wir fürchten uns von gar nix.

Das Publikum gibt uns eh meistens recht ....überhaupt wenn wir uns von seinem Geschmack leiten lassen. Wir selbst sind von uns sowieso  überzeugt und die Schauspielkollegen loben uns auch fast immer. (Hinterm Rücken pfeift aber ein ganz anderer Wind). Die Kritiker spielen für uns keine Rolle, weil die interessieren sich eh nur für die „Profitheater“ und die „Sommerspiele“. Aber auch die machen es ihnen fast nie recht. Kritiker schreiben ja sowieso nur für sich selbst und wollen sich auf unsere Kosten ein literarisches Denkmal setzen - und das mit Freikarte! Uns jedenfalls ist es total Wurscht was die zusammenschmieren, wir ignorieren sie nicht einmal und schreiben uns in der Bezirkszeitung die Kritik selbst.

Manchmal gefallen wir sogar unseren Konkurrenzbühnen. Das baut einerseits zwar auf, zwingt uns aber anderseits deren Schmarrn beim obligaten Höflichkeitsbesuch auch anzuschauen. Aber wir Theaterleute haben einen guten Magen und verdauen so manches, am besten das Buffett am Premierenabend.

Bei uns gibt es Stadt-, Dorf-, Volks-, Vereinigte-, Freie-, und viele Heimatbühnen. Einige wenige nennen sich „Profitheater“.  Die spielen in den Städten das ganze Jahr über, haben ein eigenes Haus oder zumindest einen eigenen Keller. Da können sie dann spielen und proben wann immer sie wollen und müssen keinen Verwaltungsausschuß oder Pfarrat um Probetermine im Mehrzwecksaal bitten. Auch diese Bühnen sind Vereine, haben aber meistens einen verantwortlichen Theaterleiter.

Als Amateurbühne spielt man fast immer in einem Vereinshaus. Da gibt es einen Mehrzwecksaal, der viel Geld kostet und für mehrere Zwecke nicht geeignet ist. Man muß die Aufführungstermine mit der Feuerwehr, der Musikkapelle, und dem Tourismusverein absprechen und das ist gar nicht so einfach.

Auch in Bozen gibt es bald ein neues, großes Vereinshaus. Die Zeitungen schreiben so viel darüber, weil es sehr teuer ist und weil bei Theatervorstellungen ganz, ganz viele Leute darin Platz haben. Wenn es endlich fertig ist, dürfen dort abwechselnd zwei, drei Bozner Gruppen spielen, tanzen und singen. „Professionell“ sagt man.

Eigentlich glauben alle Theatergruppen bedeutend zu sein und spielen deshalb munter drauflos, was ja gut ist. Manchmal aber treten einige ins Fettnäpfchen - weil Theaterspielen nämlich gar nicht so einfach ist, wie manche von uns meinen. Die vom „Theaterverband“ haben sich deshalb etwas einfallen lassen und die Theaterkurse erfunden: Hauskurse und Bezirkskurse, Landeskurse und weiß Gott noch welche anderen „Schnellsiedekurse“. Da kann der Südtiroler „Laienschauspieler“ dann alles ein bißchen lernen und wird in „Null Komma Nichts“ zum Spielleiter, Schauspieler, Bühnenbauer oder Maskenbildner. Die ganz fleißigen werden sogar Theaterpädagogen – und sind dann wie die Eunuchen: sie wissen genau wies geht.....nur selber, selber  können sie halt nicht.

Auch diesen Kursen und Seminaren verdanken wir unser sauberes, braves Theater. Orgien der Geschmacklosigkeit oder hochprofessionelle Theatererlebnisse gibt es bei uns selten ....wir sind Könige der Mittelmäßigkeit im hochstilisierten Südtiroler Theaterland.

Man darf jetzt aber nicht glauben, daß wir nur Schwänke und Komödien spielen. Immer öfters versuchen wir uns in Hochkultur. Dazu holen wir uns einen Regisseur auf Kilometergeldbasis. Im Gegensatz zu einem Spielleiter, der mit seinen Spielern nur Schwänke einstudiert, ist der Regisseur fast immer ein frühpensionierter Staatsangestellter, ein spätberufener Eisenbahner oder ein freigestellter Lehrer. Jedenfalls einer der genug Zeit gehabt hat mehrere Theaterkurse zu besuchen als ein Spielleiter und der womöglich sogar selbst schon Kurse hält.
Diese Regisseure haben immer eine ganz neue Vorstellung vom Theater. Die wollen dann „besondere“ Stücke spielen - und wenn sich auch noch ein paar Vereinsmitglieder aufraffen in einem Wochenendkurs „sprechen“ zu lernen, schlagen sie dem Theaterausschuß (Obmann, Vizeobmann, Kassier) garantiert ein paar „Klassiker“ zur Auswahl vor, natürlich in Hochdeutsch.

In zweiter Einberufung und bei der dritter Kiste Bier, stimmt die Theatervereinsvollversammlung dann über die Stückvorschläge ab. Der Schriftführer hält alles fest und der Obmann geht zum „Allfälligen“ über oder löst beruhigt die Vollversammlung auf.

Die Latte ist zwar wieder zu hoch gelegt und das gewählte Stück eigentlich ein Scheiß.....die Vereinsdemokratie aber ist wieder einmal gerettet.

 

Klaus Gasperi, 20.8.99


 


Glosse für „Südtirol Profil“  nr. 25 vom 17. Juli 1995

Verdorbene Großstadt

Klaus Gasperi über Fischessen im Dopolavoro und Stembergers Plastikblumen.
Ein Aufsatz über Bruneck.

Eigentlich ist in Bruneck vieles ein bißchen gleich. Gleich kleinkariert, gleich nett oder gleich gut.
Der Christus an der Pfarrkirche hat den gleichen Gesichtsausdruck wie der Kapuzinerwastl, das Michael-Pacher-Haus die gleich schlechte Akustik wie die Hockeyhalle, und die Wirte machen zur gleichen Zeit Urlaub; - wir stehen dann alle gleich blöd da: ohne Kaffee, Bier und Wienerschnitzel und gehn ins Dopolavoro was in mancher Hinsicht recht gut tut. Erstens kann man um wenig Geld gut essen, und zweitens dient es der Völkerverständigung.
Nicht nur die Musikkapelle knallt sich dort manchmal zehn Gänge Fisch hinter den Hosengürtel, auch die Brunecker SVP-Spitze soll sich kürzlich bei welschen Gerichten getroffen haben zur Entwicklung wahltaktischer Strategien. Ob die dann aufgegangen sind, weiß man nicht genau - die sagen einem ja nichts!
Der Adang jedenfalls kann mit dem Wahlergebnis zufrieden sein, er hat bald mehr Stimmen als seine Partei - und bleibt uns, Gott sei Dank, erhalten. Die neuen Assessorenposten sind auch vergeben. Dem ehemaligen Kulturassessor bleibt jetzt nur mehr der Müll, was die Kultur nicht schmerzt; die Jörgener haben ihren Assessor (und wollen ihn nicht), während die Frauen leer ausgegangen sind. Sozialwesen und Schule bleiben beim alten. Den Grünen, der mit Lehrern und einem Fischer verstärkten Ein-Mann-Partei, kommen Argumente und Wähler abhanden. Der freiheitliche Lang hat's gegen die Zigeuner, weil er sich für bedrohte Völker einsetzt - was nicht weiter verwundert, will er ja auch an selber Stelle die Nordumfahrung und eine Erholungszone. Die Democrazia Cristiana heißt plötzlich „Insieme per Brunico" und ist wieder Regierungspartei, während der Bürgermeisterkandidat des „Polo" inklusiv seiner Verwandten nur 30 Stimmen zusammengekratzt hat. Jubel bei den Kaufleuten, sie haben jetzt den Vizebürgermeister. Dafür aber eine junge Präsidentin. Und die hat's in sich. Seit der Ára Frisch gibt sich die Kaufleutevereinigung plötzlich kulturbeflissen und „ wettert" gegen das „niveaulose" Altstadtfest. Und da man selbst nichts auf die Beine bringt, schwadroniert man bei jeder Gelegenheit von Kultursponsoring, zeigt aber schon bei erster Gelegenheit die wahre, kleinkrämerische Seele: Eine der aufwendigsten und wichtigsten kulturellen Veranstaltungen im Südtiroler Kultur- und Unterhaltungsangebot dieses Sommers wird von den Kaufleuten nicht gesponsert, weil sie in der Alten Saatbaugenossenschaft aufgeführt wird und nicht vor ihren Läden in der Stadtgasse.
Sonst aber stehn alle tapfer zur Kultur, oder wenigstens zu deren Einrichtungen. Man hat doch einiges anzubieten. Das zum Kulturtempel erhobene Michael-Pacher- Haus ist nicht nur mit Teppich- und Schwammerlausstellungen immer ausgebucht, sondern auch mit Theateraufführungen, Sennerei- und anderen Verbandssitzungen im großen Mehrzwecksaal, der für mehrere Zwecke nicht geeignet, dafür aber perfekt behindertengerecht ist: Links sieht man nichts, und rechts kann man nichts hören. Maturabälle sind wieder erlaubt, verboten ist nur noch das Plakatieren hausfremder kultureller Veranstaltungen. Unweit vom Pacherhaus steht das neue Museum, auf das wir alle (zumindest nach außen hin) besonders stolz sind. Gasteiger, der alte Fuchs, hat da wirklich viel geleistet. Neben der Pfarrkirche steht das Ragenhaus, das - wenn nicht gerade irgend eine Ausstellung läuft oder Berlusconis Politclown Sgarbi sich zu den „Incontri col autore"-Veranstaltungen mit Mercedes und Carabinieri-Eskorte geleiten läßt, der Pflege der guten Musik dient und sich damit auch einen guten Namen gemacht hat. Es gibt dann noch das Kolpinghaus mit neuer Außentreppe, das Jugendzentrum mit seinem „geilen“ Musikprogramm und das kleine „Theater im Pub“; Bibliothek und Freilichtmuseum sind ja nicht zu vergessen!
Ob man den „Multiangebotsverein" Rainbow, der in der besten Stadtlage residiert, unter Kultur, Sport, oder Handwerkeln einordnen muß, bleibt mir ein Rätsel. Vom Häkelkurs übers Handauflegen, vom Pendeln und vom mit-nackerten-Füßen-über Kohlen-Rennen, bis hin zum Mondscheintanzen für Schwangere kann man alles lernen, was gut und hauptsächlich teuer ist. Immer Neues wird angeboten. Rainbow überrascht immer wieder, genau wie die neueröffnete Privatdetektei, die Bruneck endlich den Hauch einer verdorbenen Großstadt verleiht. Keine Chance mehr für ausgrasende Ehefrauen (oder -männer). Anonyme, völlig unbekannte „Kottans" stehen mit gezückter Kamera vor jedem verdächtigen Lotterbett, um dem gekränkten Partner detailgetreu zu berichten. Das kann aber auch zu positiven Erkenntnissen führen, wenn die eifersüchtige Hausfrau erfährt, daß ihr Mann nicht im Puff , sondern beim Altherrenturnen war, um sich „Kondition" für irgend ein Turnier anzutrainieren.

Sport wird in Bruneck besonders groß geschrieben und dementsprechend gefördert. Alles ist da. Fußballplätze hat jede Fraktion, und die sind meistens leer, weil im Pustertal das Gras halt besonders geschont werden muß. Eine neue Hockeyhalle steht gleich ober der alten Schwimmschule, wo einem mitten in der Bar die Calcettospieler die Schlutzkrapfen vom Teller schießen. Die Alte Turnhalle ist, auch wenn sie für andere Zwecke hundertmal besser geeignet wäre, wieder dem Sport zugeteilt worden, und bald kann man, wenn's einem auf die Berge zu weit ist, im Zentrum der Stadt die Wände hinaufkraxeln. Das öffentliche Hallenbad aber hat man nach Reischach gepflanzt, eckig und bieder wie ein Trainingsbecken in einem Schulkomplex, durchzogen von einem Mischgeruch aus Pizza und Chlor und mit einer Sauna, wo einem nicht die Hitze oder Nacktheit, sondern die Geschmacklosigkeit des Direktors die Schamröte ins Gesicht treibt. Wo, herrgottnochmal, findet der Stemberger diese kitschigen Poster und Plastikblumen?

Gleich neben dem Hallenbad gibt's noch den Reitstall, daneben Tennisplätze mit einem gestylten Clubhaus und mit dem rutschigsten Fußboden der Welt gerade im Duschbereich. Weiter hinten noch zwei Fußballplätze - einer für die Reischacher und der andere für den Crepaz Gerd. Und über allem thront werbegünstig der Kronplatz, von dem nur mehr die ,Kron" übriggeblieben ist, - „Platz" haben wir einheimischen Skifahrer in der Hochsaison ja eh keinen mehr.

Jetzt wird halt schon wieder gejammert, … aber das geht anderen auch so. Jeder hat seine Probleme. Der Bürgermeister mit seiner Partei, die Kultur mit den Kaufleuten, die Grünen mit dem Hundedreck, der Baron mit dem Altstadtfest, die Reischacher mit den Jörgenern und trotzdem, trotzdem sind wir eigentlich alle ganz gerne da.

 

Klaus Gasperi, 45, ist Leiter des „Theaters im Pub" in Bruneck


 

Eine offene, zukunftsorientierte Kulturpolitik nutzt die Kreativität und die Innovationskraft ihrer Kulturschaffenden und ihrer kulturellen Einrichtungen, bindet sie ins öffentliche Leben ein und ermöglicht so breiten Schichten des Publikums Zugang zum künstlerischen Schaffen. Nicht so in Bruneck. Da werden Kulturleute ignoriert und übergangen, weil sich Politiker und Lobbyisten selbst „in Kultur" profilieren wollen es vielleicht sogar gut meinen - aber halt parteilich sind und meistens jemanden verpflichtet. Man darf ihnen nicht Böswilligkeit vorwerfen, vielleicht Kulturdefizit, sicher aber Desinteresse an Initiativen, die mehr sind als Fußballcamps und lukrative Effekthaschereien mit musealen Hintergrund als Kultur-Alibi. Jede Kulturinitiative ist zu begrüßen, auch wenn sie nur der Tourismuswerbung dient. So wie das Hadid/Messner Museum am Kronplatz, ein architektonisches Juwel mit internationaler Ausstrahlung, das in bewundernswerter Weise von den Kronplatz-Betreibern finanziert wurde und auch gut läuft. Vielleicht hat man deswegen jetzt Blut geleckt und will am Kronplatz auch noch ein Bergfotografie Museum bauen. Was ja auch ok wäre, wenn es die späteren Nutznießer auch selbst finanzieren würden! Wenn aber die öffentliche Hand tatsächlich drei Millionen Euro mitfinanziert, ist das nicht Kulturvermittlung, sondern Zweckentfremdung von Steuergeldern und Respektlosigkeit gegenüber den Südtiroler Kulturschaffenden, die oft mit einem Trinkgeld überleben müssen. Es offenbart aber auch die Geringschätzung gegenüber der Bevölkerung, über deren Köpfe hinweg Politiker mit Kulturgeldern rein touristische Hot Spots bedienen, die de facto die Einheimischen ausgrenzen oder ihnen einen Museumsbesuch zumindest erschweren. Und dass ihnen dann auch noch einfällt, ein SVP-Faktotum aus Bozen für die Projektleitung zu engagieren statt Foto- und Museumsfachleute, ist willkommenes Futter für jene Internetstimmen, die jetzt schon von Vettern- und Freunder/wirtschaft im System Südtirol schreiben!
Klaus Gasperi